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Forschungsförderung als Schlüssel für Wohlstand

Wenn es ihn nicht gäbe, man müsste ihn erfinden: Der WWTF ist eine privat finanzierte Forschungsförderorganisation, die pro Jahr bis zu elf Millionen Euro plus drei bis fünf Millionen Euro zusätzlich von der Stadt Wien zur Verfügung gestellt bekommt. Obwohl sich die Schwerpunktsetzung bei der Projektauswahl seit 2001 mehrfach verschoben hat, ist eines gleichgeblieben: die Einbindung internationaler Forscher in Aufgaben, deren Lösung als prioritär erachtet werden.

"Wir sind nichts, wenn wir nicht ständig international im Austausch stehen", sagt WWTF-Geschäftsführer Michael Stampfer: "Wir lernen voneinander". Dass Wissenschaft strikt international ist, sieht man in der Coronakrise: Die Hälfte der vom WWTF im Frühjahr genehmigten 25 kleineren Covid-Projekte weist eine starke internationale Einbindung auf.

Je 50.000 Euro stellte der Fonds dafür bereit. Andreas Bergthaler vom Zentrum für Molekulare Medizin (CeMM) und sein Team haben etwa untersucht, wie sich das SARS-CoV-2-Virus genetisch weiterentwickelt. "Sie machen das in Kooperation mit Forschern aus 20 anderen Ländern", sagt Stampfer. Anhand der Mutationsmuster könne man die Infektionswege der Spreader und die Infektionsausbreitung über Ländergrenzen hinweg verfolgen.

Brücken bauen zwischen Disziplinen

"Eines der Themen, das uns seit langem beschäftigt, ist, zwischen verschiedenen Disziplinen Brücken zu bauen", sagt Stampfer. Kein Arzt, keine Biologin komme heutzutage ohne avancierte Rechenmethoden aus. 2004 habe man deshalb begonnen, Experten im Bereich Bioinformatik, Biomathematik, Biostatistik und dergleichen nach Wien zu holen. Die Arbeit von Top-Ärzten und Labor-Spezialisten sei die Hälfte wert, wenn nicht auch Leute vor Ort gut rechnen und die Ergebnisse einordnen könnten. In diese Form der Vernetzung hat der WWTF in den vergangenen 15 Jahren laut Stampfer 20 bis 30 Millionen Euro gesteckt.

Ebenso viel Geld sei aufgewendet worden, Laborspezialisten und Klinikpersonal aufeinander abzustimmen. Das Ergebnis zeigt sich unter anderem in der Krebsforschung, wo Wien etwa mit der MedUni, dem CeMM und dem St. Anna Kinderspital eine beachtliche Entwicklung hingelegt hat. In den Projektausschreibungen gibt es "ganz starke Anreize, manchmal sogar einen Zwang zum Interdisziplinären", erklärt Stampfer. Bei der Umweltsystemforschung, einem weiteren Aktivitätsschwerpunkt, sei das nicht anders. Stampfer: "In Wien gibt es in dem Bereich viele gute, aber oft isoliert arbeitende Gruppen." Eine enge Zusammenarbeit zwischen Sozial- und Naturwissenschaftlern sowie Ingenieuren mache besonders viel Sinn bei Fragen, wie der Schadstoffausstoß und die Umweltbelastung verringert werden können. Solche langfristigen, großen Projekte finanziert der WWTF auch – in vielen Fällen mit bis zu 900.000 Euro über vier Jahre.

Starke Resonanz im Ausland

Welche Resonanz Wiener Forschungsergebnisse finden, zeigt das Beispiel von Jillian Petersen. Die australische Meeresforscherin hat mit Unterstützung des WWTF anhand spezieller Muscheln untersucht, wie der Organismus mit Bakterien die Verdauung organisiert. In der Folge gab es eine Millionenförderung für das Projekt durch die EU.

Anna Obenauf vom Institut für Molekulare Pathologie wiederum hat gemeinsam mit der Dermatologie am Allgemeinen Krankenhaus (AKH) Strategien zur Bekämpfung sehr seltener Hauttumore entwickelt. Die Folge: Preise, Auszeichnungen und zusätzliche Fördermittel aus Brüssel.

Home Office habe den Stresspegel vieler Wissenschaftler nicht gesenkt. "Die Lehre muss ja weitergehen, auch die Forschung", sagt Stampfer. Und in den Laboren seien "teils aberwitzige Sicherheitsmaßnahmen" einzuhalten. Was den meisten Forschern fehlt, ist die zufällige Begegnung mit Kollegen anderer Disziplinen. Das Digitale, mit dem die Wissenschaft schon lange auf Du und Du war, könne das Analoge nicht völlig ersetzen.

Wegweisende Zukunftsbereiche

Und wie steht's um wegweisende Zukunftsbereiche in der Wissenschaft? – "Quantenphysik und Quantencomputing", sagt Stampfer: Da sei Wien bei den starken Standorten dabei. Weitere wichtige Themen, auf die der WWTF ein Augenmerk legen will, sind personalisierte Medizin und Präzisionsmedizin sowie datenbasierte Sozialwissenschaft. Letztere soll Disziplinen übergreifend helfen zu verstehen, was in der Welt los ist. Last but not least sieht Stampfer auch die Notwendigkeit, eine Plattform zu schaffen für Leute, die angesichts der Machtfülle großer Datenaggregatoren wie Google oder Facebook sich überlegen, wie Demokratie, Meinungsfreiheit und dergleichen aufrechterhalten werden können. Wien als lebenswerteste Stadt der Welt sei geeignet, die richtigen Leute anzuziehen. Dieses neueste Thema läuft unter dem Titel "Digitaler Humanismus".

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